Unfallflucht
Unfallflucht
Was kann ich tun, wenn ich wegen "Verkehrsunfallflucht"
vor Gericht muss?
Unfallflucht
Link zu unseren Urteilen bei Unfallflucht
sowie bei anderen Delikten ohne Alkohol oder Drogen
(aufgrund von IVT-Hö Verkehrstherapie
Rückgabe des Führerscheins im Gerichtstermin
bzw. der Führerschein wird nie entzogen)
Unfallflucht (§ 142 StGB): Wegfall oder Verkürzung
von Fahrerlaubnis-Entzug (§§ 69, 69a StGB) und Fahrverbot
(§ 44 StGB) bei Nachschulung und Therapie
Von Rechtsanwalt Dr. Klaus Himmelreich
Was kann ich tun,
wenn ich wegen "Verkehrsunfallflucht" vor Gericht muss?
[darin unter Nr. 16: Vermeidung oder Verkürzung von Fahrverbot und Führerschein-Entzug durch psychologische Nachschulung/ Verkehrs-Therapie]
Von Rechtsanwalt Dr. Klaus Himmelreich
(https://www.himmelreich-dr.de/aktuelles/thema-des-monats/)
(https://www.himmelreich-dr.de/aktuelles/)
[Himmelreich / Halm (Hgg.), Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht – hier die 6. Auflage von 2017 mit 3.162 Seiten als kostenfreies PDF: https://www.halmcollegen.de/downloads/08946000_Himmelreich_HB_FA_Aufl6_x1a_REPORT.pdf – die 7. Auflage – mit leicht verändertem Titel – ist von 2022: Himmelreich / Halm (Hgg.), Handbuch Verkehrsrecht, Verlag: Luchterhand]
[Umfassende Informationen dazu, was Sie im Strafverfahren tun können, finden Sie auch in unserer Rubrik STRAFRECHT]
Lesen Sie nun folgenden ausführlichen Beitrag – leicht lesbar für jedermann (juristische Laien) geschrieben (Stand: 2015):
in Anlehnung an Himmelreich / Bücken / Krumm, Verkehrsunfallflucht, 5., neu bearb. u. erw. Aufl. 2009, insbes. Rn. 507 – inzwischen ist erschienen: Himmelreich / Krumm / Staub, Verkehrsunfallflucht, 6. Auflage 2013 – in den Jahren danach Text hier noch z.T. ergänzt [mittlerweile gibt es die 7., neu bearb. Aufl. von 2019: Himmelreich/ Staub/ Krumm/ Nissen: Verkehrsunfallflucht, Verlag: C. F. Müller, Heidelberg]. – [Zeitweise als Online-] Veröffentlichung auf der Homepage des „Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e.V.“: www.VdVKA.de
Verkehrs-Unfallflucht [Was kann ich tun, wenn ich wegen “Verkehrs-Unfallflucht” vor Gericht muss?]
Theoretische Erläuterungen und Tipps für Kraftfahrer
Von Rechtsanwalt Dr. Klaus Himmelreich, Köln
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Eigenes Verhalten
2. Wartezeit
3. Fahrerlaubnis-Entzug bei „bedeutendem“ Fremd-Sach-Schaden
4. Verlassen des Unfallorts
5. „Öffentlicher Verkehrsraum“ – „Im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr“
6. Pflichten des „möglichen“ Unfall-Beteiligten – Angaben-Inhalt
7. Zivilrechtliches „Feststellungs-Interesse“ des Eigentümers hinsichtlich seines – objektiv tatsächlich vorhandenen – Schadens
8. Keine „Schuld“ an dem Unfall – „Mögliche“ Beteiligung („Verursachung“ nicht erforderlich)
9. „Bemerkbarkeit“ einer Berührung
10. Strafbare „Beteiligung“ des Beifahrers
11. Vertretung bei der Pflichterfüllung
12. „Tätige Reue“: Milderung bei oder Verzicht auf Bestrafung
13. Bestrafung nur bei „Vorsatz“
14. „Vorsatz-ausschließende“ (nachvollziehbare und glaubhafte) Irrtümer, wenn man überhaupt etwas bemerkt hat
15. Glaubhafte Strafmilderungs-Gründe
16. Vermeidung oder Verkürzung von Fahrverbot und Fahrerlaubnis-Entzug durch psychologische Nachschulung/ Verkehrs-Therapie
17. Zivilrechtliche Nachteile
a) Probleme mit der Haftpflicht-Versicherung
b) Probleme mit der Vollkasko-Versicherung
c) Probleme mit der Rechtsschutz-Versicherung
18. Schluss-Bemerkung
Einleitung
Das deutsche Strafgesetzbuch (StGB) enthält sehr viele Paragrafen. Das sind im Bundestag verabschiedete Gesetzes-Vorschriften, die der Bürger in Deutschland zu beachten hat. So jedenfalls denken sich das die Politiker. Aber wer kann schon jeden Tag so viele Vorschriften im Kopf haben! Allerdings gibt es dabei einige, mit denen tatsächlich jeder Bürger an jedem Tag auf der Straße konfrontiert werden kann.
Beispielsweise gibt es die Vorschrift über das „Unerlaubte Entfernen vom Unfallort“.
Diese steht in § 142 StGB.
Fast jeder Bürger fährt ein Auto oder wenigstens ein Fahrrad. Wie leicht kann es dabei passieren, ein anderes Auto völlig unbeabsichtigt nur ein ganz klein wenig zu beschädigen, vielleicht sogar so wenig, dass es kaum sichtbar ist. Er denkt sich nichts dabei; es ist ja seiner Meinung nach nur eine Bagatelle; er fährt weiter.
Auch wer kein Auto fährt, kann jeden Tag zufällig auf dem Parkplatz eines Supermarkts mit einem Einkaufs-Wagen an ein Auto anstoßen; vielleicht kann er zuerst einen Schaden gar nicht so richtig erkennen, oder es ist nur ein winzig kleiner Kratzer im Lack des Autos. Man denkt: Das kann man doch nicht ernst nehmen und entfernt sich.
Wie vielen Menschen ist schon so etwas Ähnliches passiert! Vielleicht haben sie sich zuerst noch kurz umgesehen und dabei gedacht. „Nein, niemand hat etwas davon bemerkt! Keiner spricht mich an! Also, warum sich damit noch weiter aufhalten! Im Grunde genommen ist ja überhaupt nichts geschehen. Auf keinen Fall ist das ein Unfall gewesen. Da ist ja auch gar nichts zu machen und wenn ich jetzt weggehe, wird auch nichts weiter auf mich zukommen.“
Das war aber völlig falsch gedacht.
Es hat nämlich doch ein anderer Bürger diesen Unfall beobachtet. Und genau diesem Bürger ist auch schon einmal ein anderes Auto an die Stoßstange gefahren. Und ein anderes Mal hat ein Einkaufs-Wagen ganz leicht seinen Türgriff beschädigt. Beide Male hat seine Werkstatt bei einer Routine-Untersuchung ihn auf genau diese leichte Delle und den winzigen Kratzer aufmerksam gemacht. Er hat das routinemäßig mit beseitigen lassen. Als er allerdings die Rechnung sah, wurde ihm ganz anders. Da musste er nämlich für diese Bagatellen einige hundert Euro bezahlen. Er musste für etwas bezahlen, was er selber gar nicht verursacht hatte. Er schwor sich, zukünftig wird ihm das nicht mehr passieren. Wenn er Ähnliches beobachtet, achtet er seitdem peinlichst darauf, ob sich ein „Betroffener“ „unerlaubt“, also ohne eine gesetzlich vorgeschriebene Erlaubnis, vom „Unfallort“ entfernt. Er schreibt sich die Nummer des Autos auf und teilt dies der Polizei mit. Weniger als eine Stunde später steht ein Polizeiwagen vor der Tür, und damit beginnt ein Drama. Die Mühlen der Justiz beginnen zu mahlen: Anzeige, Prozess, Verurteilung und Kosten, Kosten, Kosten. Das alles wegen eines unbedeutsamen Zusammenstoßes, der nicht ernst genommen wurde.
Das muss nicht sein!
Entscheidend ist, dass man schon vorher – also vor einer solchen möglichen Straftat – über die rechtlichen Zusammenhänge und Konsequenzen informiert ist. Nur so kann man dann Schlimmeres verhindern.
Wie sieht es im Alltag jedoch aus?
Der Regelfall ist: Der Beschuldigte hat – wie er sagt – nichts von einer Berührung mit einem anderen Gegenstand (z.B. Auto) bemerkt oder – bei Berührung und anschließender Nachschau – keinen Schaden daran entdeckt. Das wird ihm aber leider kaum helfen, weil der Geschädigte der Polizei einen Schaden präsentieren wird. Dabei kommt es sogar überhaupt nicht darauf an, ob der Beschuldigte selbst diesen Schaden verursacht hat. Er braucht einfach nur das andere Kfz ganz leicht – ohne es zu bemerken – berührt zu haben.
Viele Bürger wissen auch nichts von einem anderen rechtlichen Umstand. Sie denken sich:
„Es gibt ja keine Zeugen, also steht Aussage gegen Aussage und mir kann nichts passieren.“
Das ist völlig falsch gedacht! Der Geschädigte wird im „staatlichen“ Strafverfahren als Zeuge der Staatsanwaltschaft behandelt. Im Gegensatz zum Beschuldigten ist er zur wahrheitsgemäßen Aussage verpflichtet. Das heißt, dass seine Aussagen als wahr unterstellt werden. Die Aussagen des Beschuldigten aber nicht so ohne Weiteres! Es ist also keine „Gleichheit“ vorhanden.
Ein weiterer bemerkenswerter Umstand:
Welcher Fußgänger kann sich vorstellen, dass schon dann, wenn man auf dem Parkplatz eines Einkaufsmarktes mit seinem Einkaufs-Wagen ein Auto nur berührt und danach weggeht sowie nicht eine „angemessene“ Zeit von ca. 30 Minuten gewartet hat, eine „Unfallflucht“ vorliegen kann, wenn man nicht anschließend zu einer „nahegelegenen“ Polizei-Dienststelle fährt und dort alles zu Protokoll gibt, was man erlebt hat?
Aber es kommt noch viel schlimmer:
Es muss noch nicht ‘mal ein Auto sein. Es ist nämlich völlig ausreichend, dass es sich beim benutzten „Tatobjekt“ nur allgemein um ein „Fahrzeug“ handelt; es muss kein „Kraft-Fahrzeug“ sein. Ein Fahrrad wäre auch ein solches „Fahrzeug“.
Noch eigenartiger wird es bei folgenden Beispielen:
Stelle ich wirklich die Überlegung an, ob ich mich schon dann, wenn ein minderjähriger Jugendlicher mit seinem Fahrrad aus dessen Allein-Verschulden gegen den Reifen meines ordnungsgemäß geparkten Autos, in dem ich sitze, fährt und danach wegfährt, dem Verdacht einer „Unfallflucht“ aussetze, wenn ich nun auch wegfahre, obwohl ich (zivilrechtlich) völlig unschuldig bin?
Denke ich bei einer bemerkten leichten Berührung der jeweiligen Auto-Außenspiegel daran, dass der andere Fahrer (der einem auf die Frage, ob etwas beschädigt sei, antwortet: „Nein“) gar nicht der wirkliche „Eigentümer“ sein könnte, den man aber als den eigentlichen „Feststellungs-Berechtigten“ (wie es im Gesetz heißt) hätte danach fragen müssen? Weiß ich, dass ich dann, wenn dieser fremde „Fahrer“ weiterfährt, da mir der Kfz-„Eigentümer“ nicht bekannt ist, als „Ersatz“ eine „nahe gelegene“ Polizei-Dienststelle aufsuchen und alles dort zu Protokoll geben muss, was ich erlebt habe?
Dieser Text hier erklärt nun in verständlicher Sprache, was die Bürgerin und der Bürger hinsichtlich dieser „rechtlichen“ Strafvorschrift wissen muss. In den meisten Fahrschulen wird dies nicht oder nur spärlich erörtert. In den Zeitungen und Illustrierten oder im Fernsehen wird nur das eine oder andere Problem kurz an Hand eines Beispiels erwähnt; aber das reicht nicht aus.
Oft hört man später sinngemäß folgende Äußerungen der Betroffenen:
„Ich hatte überhaupt nicht das Gefühl, etwas Unrechtes getan zu haben; ich wollte nach der bemerkten kleinen Berührung mit dem anderen Auto noch dringend einen Termin wahrnehmen, aber sofort danach den Geschädigten informieren oder die Polizei „rufen“ (was allerdings auch nicht reicht, da man „hinfahren“ muss; im Gesetz steht: „aufsuchen“). Nun hat die Polizei mir den Führerschein weggenommen. Im Gerichtstermin in etwa 3 Monaten, soll ich zu einer hohen Geldstrafe verurteilt werden; der Führerschein soll mir dann noch weitere 6 Monate weg genommen werden; ich bin dann vorbestraft und im „Strafregister“ in Berlin registriert, bin also dann ein ‘Krimineller‘.“
Immer mehr Kraftfahrer entfernen sich im Anschluss an eine Berührung z.B. eines Baumes, einer Haus-Markise, einer Treppe, eines Kinderwagens oder eines Autos oder dessen Außenspiegels (ohne dass ein größerer Schaden von Weitem zu sehen ist) nach einer zu kurzen Wartezeit zu Fuß oder mit dem eigenen Kfz von dort.
Mehr als 50.000 Autofahrer werden jährlich in der Bundesrepublik Deutschland wegen „Verkehrsunfallflucht“ bestraft. Meistens ist auch bei „bedeutendem“ Fremd-Sach-Schaden oder einer Körperverletzung der Führerschein für viele Monate weg.
Schon bei jedem zweiten Unfallflüchtigen soll laut Statistik „Alkohol-Konsum“ im Spiel gewesen sein. Meistens gebe es sogar mehrere Motive, die bei dem ohnehin erschreckten Unfallfahrer den Gedanken „Nichts wie weg“ auslösen. Bei manchem Kraftfahrer – so wird berichtet – würden in Sekundenschnelle folgende Vor- und Nachteile abgewogen: Welche Konsequenzen hat es für mich, wenn ich mich der Sache stelle? Wie schlimm ist dagegen das, was ich angerichtet habe? Wie hoch ist meine Chance, nicht erwischt zu werden? Kann ich nicht noch eben den dringenden Termin wahrnehmen und dann erst dem Geschädigten oder der Polizei Bescheid geben? Eine Lehrerin weiß beispielsweise, dass die Erstklässler vor der geschlossenen Schultüre stehen, wenn sie noch länger da bleibt. Ein Anderer war gerade auf dem Weg, seine alte, kranke Mutter zu besuchen.
Andere Kraftfahrer, berichtet man weiter, würden dies auch nach dem Motto verdrängen:
„Was ich nicht weiß, nicht gesehen und gehört habe, kann auch nicht wirklich passiert sein.“
Solche Autofahrer führen dann mit einem relativ guten Gewissen davon und seien sogar Tage nach dem Unfall noch oft fest davon überzeugt, dass sich die Dinge tatsächlich so zugetragen haben, wie sie in der – vielleicht sogar unbewusst – nunmehr schöngefärbten Erinnerung bloß gewesen zu sein scheinen.
Ein dominierendes Motiv der „Unfallflucht“, so zeigen weitere Untersuchungen durch Psychologen, ist eine gewisse Angst. Es ist die Angst vor der Polizei, dem Ehepartner, den Eltern, dem Verlust des Arbeitsplatzes oder vor einer Rückstufung durch die Haftpflicht-Versicherung oder gar der Peinlichkeit, als Versager zu gelten. Der Betroffene fühlt sich dieser Situation völlig ausgeliefert und sieht oft im Weglaufen oder Wegfahren die einzige Chance, sich vor den möglichen Konsequenzen zu drücken. Dabei steht die Angst, die er plötzlich hat, meistens in keinerlei vernünftigem Verhältnis zu den tatsächlich sonst möglichen (geringen) Folgen.
Vorab noch kurz zu den Bezeichnungen „Führerschein“ und „Fahr-Erlaubnis“. Beide Bezeichnungen werden umgangssprachlich ähnlich verwendet. Jedoch bedeuten sie juristisch nicht dasselbe:
Die „Fahr-Erlaubnis“ ist ein (abstrakter) Verwaltungs-Akt: Einer Bürgerin oder einem Bürger wird von der Fahr-Erlaubnis-Behörde (Führerschein-Stelle) durch eine (mündliche) Erklärung „erlaubt“, führerschein-pflichtige Kraft-Fahrzeuge im Straßenverkehr zu führen. Das schriftliche Dokument für eine solche (bestehende) „Fahr-Erlaubnis“ ist der „Führerschein“.
Im Gesetz, nämlich in § 142 StGB, heißt diese Strafvorschrift: „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“. Der Betroffene entfernt sich „unerlaubt“, also ohne (gesetzlich vorgeschriebene) Erlaubnis, von (irgend-) einem „Unfallort“. Einmal ist der „Andere“, der „gegnerische Feststellungsberechtigte“, anwesend, einmal nicht.
Was kann auf den Bürger, insbesondere den Kraftfahrer, der wohl nie von seinen entsprechenden „Pflichten“ etwas vernommen hat, überhaupt – allerdings zunächst nur theoretisch − zukommen? Kann er eine Bestrafung vermeiden?
Auch ein Führerschein-„Verlust“ (besser ausgedrückt: „Fahrerlaubnis-Entzug“) für mehrere Monate könnte in Betracht kommen. Im „öffentlichen“ Dienst, z.B. als Beamter oder Lehrer, kann sich noch ein Disziplinar-Verfahren anschließen. Auch die „Beförderung“ könnte kurzfristig in Gefahr sein. Zu einem kurzen Rat oder einer Vorab-Hilfe könnte zunächst die preiswerte Lektüre kleiner Broschüren geeignet sein (z.B.: Krumm, Führerschein weg – was nun?, Deutscher-Taschenbuch-Verlag).
Dieser Ihnen zum Lesen hier vorliegende kurze Text ist schon im Hinblick auf diese eine Strafvorschrift der „Verkehrsunfallflucht“ eine umfangreichere Hilfe, ersetzt aber in der Regel keineswegs die Inanspruchnahme eines hierauf spezialisierten Rechtsanwalts (Verteidigers).
- Eigenes Verhalten
Wenn Sie an einem anderen Fahrzeug einen Schaden verursacht haben, stellt zuerst die Polizei und – bei einer möglichen rechtlichen Auseinandersetzung auch der Richter bzw. die Richterin – eine für Sie ganz bedeutsame Frage:
Wie haben Sie sich am Unfallort verhalten?
Denken wir dabei einmal an eine ganz typische Verkehrssituation:
Sie stehen im Stau, sehen weiter vorne, dass es weitergeht, fahren an und verkennen, dass der Fahrer im Fahrzeug vor Ihnen nicht so schnell reagiert wie Sie; auf einmal berühren Sie leicht seine hintere Stoßstange. Sie steigen aus, erkennen nur einen absolut kleinen Kratzer an dessen Stoßstange, geben dem anderen „Fahrer“ ihre Adresse und fahren, um den Stau nicht noch schlimmer werden zu lassen, weiter bis zur nächsten Raststätte. Das ist an sich aus Ihrer Laien-Sicht vernünftig gedacht. Aber jetzt kommt es! Der geschädigte „Fahrer“ teilt Ihre Meinung über einen „Bagatellschaden“ überhaupt nicht. Er folgt Ihnen auch nicht bis zur Raststätte, sondern im Gegenteil: Er setzt sich über sein Handy mit der Polizei in Verbindung und zeigt Sie wegen Fahrerflucht an. Oder es handelt sich wirklich nur um den „Fahrer“ des fremden Kfz, nicht aber um den allein insoweit „feststellungsberechtigten“ Eigentümer des fremden Autos. Nur: Mit dem „Fahrer“ allein können Sie nichts vereinbaren (vgl. dazu Nr. 7, Abs. 4 ff.). Dann müssten Sie stattdessen doch unverzüglich zu einer „nahegelegenen“ Polizeiwache fahren.
Wenn Sie später die Anzeige erhalten, denken Sie: Das gibt es doch gar nicht!
Allerdings! Nach dem Gesetz haben Sie sich einer Straftat schuldig gemacht.
Nur bei wirklichen so genannten Bagatellschäden dürfen Sie selbstständig entscheiden, ohne den anderen Eigentümer zu befragen. Aber die Grenze dieses Bagatellschadens legen die Gerichte fest: Zumeist nur bis 50 €. Doch welcher Schaden an einem Auto beträgt heute noch 50 €; die Reparatur eines beheizten Außenspiegels am fremden Kfz kostet schon ca. 500 €, wobei der eigene Außenspiegel im Übrigen nicht unbedingt auch dabei beschädigt worden sein musste. Deshalb plädieren Fachleute auch seit langem, diese Grenze auf 150 € anzuheben (vgl. dazu die Nachweise bei: Himmelreich, Deutsches Autorecht [DAR] 2006, 1; Winkler, in: Himmelreich / Halm (Hgg.), Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, Kap. 33, Rn. 115). Leider folgen dieser vernünftigen Auffassung aber nur sehr selten die Gerichte. Nur, wenn Sie z.B. ein sehr altes Fahrrad beschädigen, haben Sie vielleicht eine Chance auf einen Bagatellschaden.
Um also eine Straftat zu vermeiden – auch wenn diese aus Ihrer Sicht absolut nicht gerechtfertigt ist − müssen Sie sich am Unfallort anders verhalten, als es Ihnen Ihre Vernunft sagt. Sie setzen sich am besten mit der Polizei in Verbindung; kommt diese – nach Ihrer Wartezeit – nicht, müssen Sie unbedingt eine „nahegelegene“ Polizeiwache aufsuchen und dort alles protokollieren lassen, was Sie erlebt haben.
Wir wollen dazu zunächst einmal eine ganz klare Situation unter die rechtliche Lupe nehmen. Stellen Sie sich bitte vor, dass Sie als Autofahrer aus reiner Unachtsamkeit tatsächlich einen Schaden angerichtet und dies auch tatsächlich bemerkt haben. Der Kotflügel und die Tür an einem fremden Pkw sind durch Sie eingedellt. Die „reinen“ Reparaturkosten werden etwa 1.600 € betragen, von den weiteren Kosten (u.a. Mietwagen- und Sachverständigen-Kosten) ganz zu schweigen.
Wie müssen Sie sich rechtlich einwandfrei verhalten, also so, dass Sie keine Probleme mit dem geltenden Recht bekommen?
- Wartezeit
Wenn Sie sich vorher „schlau“ gemacht hätten, wüssten Sie, dass in solchen Situationen der Kraftfahrer stets erst einmal eine – wie es im Gesetz heißt – „nach den Umständen angemessene Zeit“ warten muss. Ganz wichtig ist, dass es hiervon grundsätzlich keine Ausnahmen gibt.
Allerdings gibt es ein kleines „Hintertürchen“. Man kann sich mit dem anderen Fahrer verständigen, dass man sehr schnell wieder zurück kommt; beispielsweise kann man auch einen Zeugen zurück holen, der gerade dabei ist, wegzugehen. Sehr beliebt ist es bei Autofahrern, die nicht gut deutsch sprechen, wegzugehen, um einen Dolmetscher zu holen. Das alles ist erlaubt. Allerdings darf diese Abwesenheit nur kurze Zeit dauern. Sie müssen unverzüglich – also ohne Umwege (!) – zum Unfallort zurück kommen und sämtliche Formalitäten, auf die wir noch eingehen werden, nachträglich nachholen. Es ist auch nicht erlaubt, erst einmal in der Umgebung einen Parkplatz zu suchen (vgl. Nr. 4).
Als „entschuldigt“ gilt auch, wenn Sie am Unfallort ernstlich bedroht werden; einem Konflikt mit einem „Betrunkenen“ kann man ausweichen; dann muss man aber – stets – zur Polizei fahren.
Ebenso gibt es die „Hintertür“ eines berechtigten Verlassens des Unfallorts des Unfallorts, beispielsweise, wenn für das eigene Verhalten ein „Rechtfertigungsgrund“ vorliegt, z.B. eine (auch mutmaßliche) Einwilligung des Feststellungs-Berechtigten zum Wegfahren vom Unfallort.
Generell gilt es also, eine „angemessene“ Wartezeit einzuhalten. Eine solche „Wartezeit“ schrumpft auf ein Minimum zusammen, wenn Sie beispielsweise ein parkendes Fahrzeug beschädigt haben, den Eigentümer aber kennen und direkt zu diesem nach Hause fahren. Ebenso könnten Sie zu einer „nahe gelegenen“ Polizeistation fahren, um dort alles zu berichten, was Sie und wie Sie es erlebt haben; das muss dann dort protokolliert werden.
Aber aufgepasst: Das Gesetz erlaubt zwar ein solches „zu kurzes Warten“ auch nicht, allerdings wird in der Regel dann jedoch das Straf-Verfahren gegen Zahlung einer Geld-Buße (keine Vorstrafe, keine Punkte) später „eingestellt“ (§ 153 a StGB). Sie haben also in diesem Fall dann keine Straftat begangen und es erfolgt also auch keine Bestrafung. Sie müssen „nur“ – als sog. „Denkzettel“ – zahlen.
Wie lange müssen Sie nun eigentlich warten? Was sagt die Rechtsprechung dazu?
Bei unserem hohen Sachschaden von 1.600 € würde eine Wartezeit von etwa 15 Minuten keinesfalls ausreichen. Je nach Tageszeit und Höhe des Sachschadens müssen Sie in der Regel eine Wartezeit von ca. 1 Stunde in Kauf nehmen. Also: Vorher dürfen Sie sich nicht vom Unfallort entfernen. Zu Hause sollten sie außerdem auf jeden Fall sofort Ihre Auto-Haftpflicht-Versicherung schriftlich benachrichtigen, damit Sie nicht den „Versicherungsschutz“ verlieren. Dies gilt auch dann, wenn Sie der Meinung sind, es sei kein Schaden entstanden oder Sie wüssten von nichts.
Eine genaue Zeitangabe, wie lange man jeweils zu warten hat, gibt es leider nicht. Die Gerichte sprechen von „einer den Umständen des Einzelfalles angemessenen Zeitspanne“. Es gibt einige Beispiele aus der Rechtsprechung, an denen man sich ungefähr orientieren kann:
- Bei einem Leitplankenschaden von ca. 150 € in der Nacht in der Nähe einer Ortschaft reichen 20 Minuten aus.
- Bei der Beschädigung eines Verkehrszeichens mit einem Schaden von ca. 65 € um Mitternacht außerhalb der geschlossenen Bebauung eines Ortskerns reicht eine Stunde aus.
- Bei Beschädigung eines Hydranten, Gartenzauns oder Baumes zur Nachtzeit auf verkehrsarmer Straße reichen 30 Minuten aus.
- Bei einem Sachschaden von über 1.500 € nachts um 2 Uhr ist die Wartezeit von einer halben Stunde zu wenig.
- Bei leichtem Unfall mit Sachschaden auf einer nicht befahrenen Autobahn um 19 Uhr reichen 10 Minuten nicht aus.
- Ein Gericht zieht bei der Beurteilung, ob die Wartezeit „angemessen“ war, immer die Gesamtumstände des Unfalls in Betracht. Dazu gehören vor allem:
- die Schwere des Unfalls
- die Höhe des Schadens
- die Tageszeit
- die Art des Unfalls
- die Witterung
- die Verkehrsdichte
- die eigene (zivilrechtliche) Schuld bzgl. des angerichteten Fremd-Sach-Schadens bzw. der Körperverletzung
- die genaue Ursache bzw. Abfolge des Unfalls
- die Person des Fahrzeug-Führers
- unter Umständen auch die Alkoholisierung, wenn dies zur Aufklärung der Art der Beteiligung am Unfall von Bedeutung ist.
Beachten Sie jedoch eine Besonderheit dabei:
Wenn ausschließlich eine Strafverfolgung wegen Alkohol-Konsums zur Debatte steht, dürfen Sie – ohne zur Polizei fahren zu müssen – straflos wegfahren, weil dies zur Durchsetzung der zivilrechtlichen Ansprüche des Geschädigten dann nichts beiträgt (vgl. dazu u.a.: Himmelreich / Bücken / Krumm, Verkehrsunfallflucht, 5. Auflage 2009, Rn. 178 – Himmelreich / Krumm / Staub, Verkehrsunfallflucht, 6. Auflage 2013, Rn. 240 f.).
Aber bedenken Sie bei all diesen Faktoren: Auf hoher See und vor deutschen Gerichten ist alles unsicher. Verlassen Sie sich deshalb bitte nicht auf Ihr eigenes Urteilsvermögen. So schwer es Ihnen auch fallen mag, warten Sie einfach wenigsten eine Stunde!
Schauen Sie sich auf jeden Fall immer das andere Kfz auch an, weil nämlich das (glaubhafte) subjektive Vorstellungsbild des Betroffenen (vgl. dazu u.a.: LG Wuppertal, DAR 2015, 412, m. Anm. Staub) über eine geringe Fremd-Sach-Schadens-Höhe beim anderen Kfz oft auch zu einer geringeren Wartezeit führt (zu den vorsatz-ausschließenden Irrtümern vgl. unten unter Nr. 14). Ein Gutachten eines (selbst eingeschalteten) technischen Sachverständigen kann im Hinblick auf die Glaubhaftigkeit Ihrer Behauptung einer angemessenen Wartezeit später auch hilfreich sein, eine Bestrafung zu verhindern. Aber das kostet Sie extra, nämlich Gutachter-Gebühren!
- Fahrerlaubnis-Entzug bei „bedeutendem” Fremd-Sach-Schaden
Bei der Wartezeit ist für Sie noch ein anderer Umstand sehr wesentlich. Deshalb wird hier darauf besonders eingegangen:
Die Gerichte gehen ab einem Fremd-Sach-Schaden von z.Zt. 1. 300 € von einem – wie es im Gerichtsjargon heißt − „bedeutenden“ Fremd-Sach-Schaden aus; dies ist die Grenze, ab der ein Fahrerlaubnis-Entzug droht. Hierbei geht es aber zunächst nur um den Betrag für die „reinen“ Reparaturkosten; dazu kann noch mehr an Schadens-Beträgen kommen; 1.300 € sind schnell erreicht (vgl. dazu näher: Himmelreich / Bücken / Krumm, Verkehrsunfallflucht, 5. Auflage 2009, Rn. 261 u. 269 – Himmelreich / Krumm / Staub, Verkehrsunfallflucht, 6. Auflage 2013, Rn. 406 u. 411; Winkler, in: Himmelreich / Halm (Hgg.), Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, Kap. 33, Rn. 117). Im Übrigen kann ein Fremd-Schaden auch dann entstanden sein, wenn man an seinem Kfz keinen Schaden hat. Hinzu kommt oft auch noch manchmal eine Körperverletztung (z.B. Schock) als „Personenschaden“.
Verlassen Sie bei einer derartigen Schadens-Höhe unberechtigt den Unfallort, werden Sie mit ziemlicher Sicherheit verurteilt. Gehen Sie mal davon aus, dass Sie zu einer Geld-Strafe von etwa 40 Tages-Sätzen multipliziert mit Ihrem Tages-Netto-Einkommen verurteilt werden.
Hinzu kommt noch ein Fahrerlaubnis-Entzug von etwa 9 bis 12 Monaten (je nach Gerichtsbezirk verschieden).
Im Übrigen sind Sie damit 5 Jahre (kriminell) vorbestraft und im Strafregister in Berlin registriert. In das „Führungs-Zeugnis“, welches Sie bei einem Arbeitgeberwechsel bei der Behörde beantragen, wird dies allerdings erst bei mehr als 90 Tages-Sätzen eingetragen. Aber es ist im Strafregister (für die Justiz und bestimmte andere Behörden) einsehbar und Sie sind auch während dieser Zeit in der „Punkte-Verkehrssünder-Kartei“ (Fahreignungsregister beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg) registriert. Insoweit müssen Sie sich darüber klar sein, dass Sie dies nur verhindern können, wenn Sie lange genug nach einem Unfall an Ort und Stelle gewartet haben.
Außerdem: Wenn dann noch „tatsächliche“ Feststellungen möglich sind und vom Geschädigten verlangt werden, müssen diese auch noch erfüllt werden. Vorher darf man sich nicht von einer Unfallstelle entfernen.
4. Verlassen des Unfallorts
Für das rechtliche Problem beim Verlassen eines Unfallortes ist die Frage entscheidend, was eigentlich genau unter „Unfallort“ zu verstehen ist.
Wenn Sie das nicht wissen, befinden Sie sich in guter Gesellschaft. Das Gesetz regelt diese Frage nämlich nicht ausreichend. Deshalb entscheiden darüber häufig die Gerichte recht unterschiedlich:
- Ein Oberlandesgericht (OLG) sagt: Der Unfallort ist die Stelle, an der sich der Unfall ereignet hat und die beteiligten Fahrzeuge zum Stehen gekommen sind, samt der unmittelbaren Umgebung.
- Ein anderes spricht davon, dass man 200–250 m weiterfahren darf, wenn man dann noch in Sicht- und Rufkontakt mit dem Geschädigten steht.
- Ein weiteres OLG hat entschieden, dass dann, wenn nicht der Standort des Kraftfahrzeuges für die Unfallursachen-Ermittlung von Bedeutung sei (was man selbst kaum beurteilen kann), auch ein „nicht weit“ entferntes seitliches Abstellen bzw. Entfernen aus dem fließenden Verkehr zulässig wäre.
- Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Fall erklärt, dass „ein bloßes Weiterfahren in den Grenzen des Bremsweges sowie das „Ausrollen-lassen des Kfz“ zulässig seien; ferner sei die „Schrecksekunde“ dabei auch positiv zu berücksichtigen.
Wie Sie sehen, ist die Beurteilung nicht einheitlich verbindlich.
Was also sollen Sie tun?
Wie sollen Sie sich verhalten, um auf der rechtlich sicheren Seite zu sein?
Auf keinen Fall jedoch folgendes:
Sie sind gestresst, versuchen einen sonst hinter sich entstehenden Verkehrsstau zu vermeiden, und fahren zunächst einmal „um den Block“, um einen Parkplatz zu suchen und danach zu Fuß an die Unfallstelle zurück zu kehren. Dabei müssen Sie damit rechnen, dass sich der angeblich Geschädigte inzwischen leider entfernt hat. In den meisten dieser Fälle fährt dieser nämlich schon nach wenigen Minuten zur Polizei und erstattet Anzeige wegen „Verkehrsunfallflucht“. Sie sind verblüfft, wenn Sie dann später vom Straf-Richter hören, dass Sie einerseits gar nicht so weit hätte weg fahren dürfen und andererseits es für Sie auch keine Entschuldigung darstellt, wenn Sie später feststellen mussten, dass sich der Geschädigte (weil es diesem zu lange dauerte) entfernt hat. Unglücklicherweise interpretiert der Betroffene Ihr Wegfahren dann – subjektiv unzutreffend – so, als ob Sie hinsichtlich des Unfallgeschehens kein Interesse mehr gehabt haben, irgendwelche Feststellungen treffen zu lassen. Ob dem Betroffenen eine ihn entlastende gegenteilige Behauptung im Übrigen von der Justiz geglaubt wird (zu „Irrtümern“ vgl. unten unter Nr. 14), ist auch nicht sicher.
Entlastend wäre auch nicht, wenn Sie beispielsweise auf Grund Ihrer allgemeinen Bekanntheit im Ort – auch bei den Unfallzeugen – trotz räumlicher Distanz für den Feststellungs-Berechtigten generell erreichbar wären.
Deshalb also immer beachten:
Eine metermäßige Mindestdistanz für dieses „Unerlaubte Entfernen vom Unfallort“ gibt es nicht. Entscheidend ist juristisch, ob Sie sich in einer solchen Weise von der Unfallstelle abgesetzt haben, dass ein Zusammenhang mit dem Unfall nicht mehr ohne weiteres erkennbar ist. In einem solchen Fall – oder bei einer derartigen Auslegung – hätten Sie direkt am Unfallort bleiben müssen.
Es gibt sogar ziemlich groteske Auslegungen:
Beispielsweise, wenn sich ein Unfall vor Ihrer eigenen Haustür ereignet und Sie schnell einmal kurz in Ihrer Wohnung verschwinden, sind Sie für den Geschädigten nicht mehr ohne weiteres erkennbar und erreichbar. Dies ist nicht erlaubt. Man darf also nicht sofort weggehen, sich noch nicht einmal entfernen, um Kugelschreiber und Papier zu holen oder das Kleinkind schnell in die Wohnung zu bringen, es sei denn, der geschädigte „Eigentümer“ wäre damit einverstanden.
- „Öffentlicher Verkehrsraum” – „Im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr”
Manchmal passieren Unfälle oder einfache Beschädigungen auch außerhalb öffentlicher Straßen. Für ein Gericht oder die Polizei stellt sich dann die Frage: Ist dieser Unfall außerhalb des „öffentlichen Verkehrsraums“ oder ohne „Zusammenhang mit dem Straßenverkehr“ geschehen. Wenn ja, dann wäre dieser Unfall an sich straflos. Selbstverständlich kann der Geschädigte dann jedoch zivilrechtlich gegen Sie vorgehen. Also den Schaden müssen Sie trotzdem begleichen. Aber immerhin haben sie dann wenigstens nicht gegen geltendes Verkehrs-Strafrecht verstoßen.
Es gibt eine lange Liste, welche Straßen oder Plätze öffentlich sind, also zum sogenannten „öffentlichen Verkehrsraum“ gehören:
- Parkplatz von Behörden, Hotels, Gaststätten
- Parkplatz von Einkaufsmärkten
- Firmenparkplatz für Kunden
- Kaufhausparkplatz
- Zufahrt zu mehreren Häusern mit Arztpraxis
- Zufahrt zu Wohnhäusern, wenn keine die Zufahrt beschränkenden Einrichtungen oder Sperrzeichen angebracht sind
- Straßen innerhalb eines Klinikgeländes trotz Umzäunung und Zugangskontrolle, wenn sie auch tatsächlich von Besuchern der Patienten mit einem Kfz benutzt werden können
- Unbebautes Grundstück, auf dem jedermann parken kann
- Tankstellengrundstück auch bei nächtlichem Betrieb; Zu- und Abfahrt von geöffneter Tankstelle; Raum zwischen Zapfsäulen bei nachts geöffneter Tankstelle
- Parkhaus innerhalb der normalen Betriebszeit
- Tiefgarage „für Kunden“, die jedoch allgemein zugänglich ist, innerhalb der Öffnungszeiten
- Gehöft
- Gelände eines Reitvereins während eines Turniers, wenn es zu diesem Zeitpunkt jedermann zugänglich ist
- Platz, auf dem Volksfeste stattfinden
- Privatgrundstück, das zum Parken freigegeben ist
- Gehweg
- Hinterhofparkplatz, der Kunden mehrerer ansässiger Firmen sowie Anwohnern ohne Begrenzung auf einen bestimmten – kontrollierbaren – Personenkreis offen steht.
Demgegenüber gehören zum „nicht-öffentlichen Verkehrsraum“ vor allem u.a.:
- Parkplatz, der nur von bestimmten Personen (Mitarbeiter eines Betriebes) benutzt wird
- Fabrikgelände, das nicht für jedermann zugänglich ist
- Nicht allgemein zugänglicher Hof
- Hofgrundstück, das durch Hausbewohner und ihre Besucher zu Parkzwecken benutzt wird
- Einfahrt zu einem hinter einem Gebäude eines Gewerbezentrums liegenden Parkplatz mit dem Zeichen „Verbot für Fahrzeuge aller Art“ und dem Zusatz „Lieferverkehr frei“
- Parkplatz eines Gasthofes, der nur für Übernachtungsgäste zugänglich ist
- Areal einer Großmarkthalle, für dessen Benutzung ein Parkausweis erforderlich ist
- Kasernengelände
- Getreidefeld, das wenige Meter vom Straßenrand entfernt liegt
- Selten: Parkbucht vor Wohnraum
- Tiefgarage, deren Einstellplätze an bestimmte Personen vermietet sind
- Zufahrt zu der Tiefgarage einer Wohnanlage, deren Rolltor in der Regel geschlossen und nur durch den Schlüssel eines Stellplatzmieters zu öffnen ist.
Aber aufgepasst:
Auch ein „Privatweg“ ist nur dann nicht „öffentlich“, wenn er für Andere nicht zugänglich und gesperrt ist, außerdem noch laufend überwacht wird. Insoweit sollten Sie zur Aufklärung, was nun öffentlich ist oder was nicht, unbedingt einen technischen Sachverständigen mit einem Gutachten (mit Ortsbesichtigung) beauftragen. Also wieder zusätzliche Kosten!
- Pflichten des „möglichen” Unfall-Beteiligten – Angaben-Inhalt
Häufig verkennt ein Unfallverursacher jedoch auch seine Rechte:
Vor allen haben Sie keine Pflicht zu einer aktiven Mitwirkung bei den Ermittlungen, die der Geschädigte oder die Polizei gegen Sie anstellen. Das heißt ganz einfach: Mund halten. So können Sie sich auch nicht schaden. Das erlaubt das Gesetz!
Sie sind nur verpflichtet, folgende Angaben zu machen:
In § 142 StGB heißt es: Zu Gunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten sind zu ermöglichen: Die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeuges und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an einem (nicht unbedingt an „seinem“ eigenen) Unfall beteiligt (nicht „verursachend“) sein kann (nicht nur „ist“).
Dieses bedeutet im Klartext:
Die Anwesenheit der eigenen Person (Sie selber) ist notwendig; auch Ihr Auto oder Roller oder ähnliches Fahrzeug muss für eine gewisse Dauer am Unfallort bleiben. Dies auch, wenn Sie jegliche Schuld bestreiten! Damit soll unter Umständen die Art der (womöglichen) Unfall-Beteiligung (nicht zu verwechseln mit Unfall-Verursachung) zivilrechtlich geklärt werden. Darüber hinaus müssen Sie nur angeben (also äußern bzw. sagen), dass Sie „an einem Unfall beteiligt sein können“. Es genügt also lediglich, dass Sie diesen Satz sagen. Mehr brauchen Sie nicht tun. Sie können sich dann an dem Unfallort hinstellen und warten. Sie können sich auch in das eigene Auto setzen und eine Zeitung lesen oder Radio hören. Sie müssen nur eine Zeit lang an der Unfallstelle warten. Weiter nichts! Auch wenn das Ihnen oft genug schwer fällt!
Das Gesetz verlangt von einem Unfallbeteiligten nicht, dass er sich über seine knappe Vorstellungspflicht hinaus selbst bezichtigt.
Aber vorsichtig:
Es genügt nicht, dass Sie einen Zettel oder eine Visitenkarte mit Angaben zur Person und zum Fahrzeug zurücklassen, weil diese immer verloren gehen können und auch kein „Schuldanerkenntnis“ darstellen.
Genau das wird aber häufig immer noch übersehen.
Es genügt auch nicht, dass die Person des Fahrzeug-Führers an Hand des Kennzeichens und dann durch Befragung des Halters ermittelt werden kann. Halter, Eigentümer und Fahrer sind nämlich nicht immer identisch. Oft macht zudem der Halter von seinem Zeugnis-Verweigerungsrecht Gebrauch (z.B. als Ehemann). Deshalb kann der eigentliche Fahrer unbekannt bleiben und so muss das Strafverfahren mangels Klärung eingestellt werden. Davor will das Gesetz den Geschädigten aber schützen.
Fazit:
Der Unfallbeteiligte hat also nur eine passive Feststellungs-Duldungs-Pflicht und muss lediglich angeben, dass – aber nicht in welchem Umfang und wie – er an dem (zur Debatte stehenden) Unfall beteiligt sein kann.
- Zivilrechtliches „Feststellungs-Interesse” des Eigentümers hinsichtlich seines – objektiv tatsächlich vorhandenen – Schadens.
Man fragt sich oft, wer überhaupt ein (zivilrechtliches) „Feststellungs-Interesse“ haben kann, etwas aufzuklären, und ist erstaunt, dass man als – zivilrechtlich – Unschuldiger, hinsichtlich eines Unfalles in strafrechtlicher Hinsicht wegen unerlaubten Entfernens bestraft werden kann (was für einen Laien kaum vorstellbar ist), weil es eben im Strafrecht nur auf die „Möglichkeit einer Beteiligung“ (z.B. bei einer reinen Berührung) an einem – nicht unbedingt selbst verursachten – fremden Sach-Schaden ankommt.
Wer hat überhaupt ein „Interesse an Feststellungen“, wenn ein Sachschaden an einem Auto (oder an einem anderen fremden Gegenstand, z.B. Roller, Mofa, Fahrrad, Hausmarkise, Treppe, Kinder-Wagen oder Baum) entsteht?
Der entsprechende § 142 StGB beschreibt in Absatz 1 Nr. 1, dass zu Gunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten „gewisse Feststellungen“ zu treffen sind. In der Rechtsprechung wird hierzu gesagt, dass Dreh- und Angelpunkt ein „fremdes Beweissicherungs- und Feststellungsinteresse“ ist. Es handelt sich hierbei um das Interesse einer Person nach einem Unfall im Straßenverkehr an der Feststellung der Unfallursachen zur Klarstellung allein der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit, um einerseits eventuelle Schadenersatz-Ansprüche durchsetzen (auch wenn man später damit keinen Erfolg hat) oder andererseits eventuelle unberechtigte Ansprüche (wenn einer zu Unrecht behauptet, man habe in zivilrechtlicher Hinsicht Allein- oder Mitschuld an einem Unfall) abwehren zu können.
Bei dieser „Person des Feststellungs-Berechtigten“ handelt es sich nicht um den „Fahrer“ des anderen unfallbeteiligten Kraftfahrzeugs, sondern – wenn dieser nicht identisch ist mit dem Geschädigten (in der Regel dem „Eigentümer“) – um den an Ort und Stelle oft nicht anwesenden tatsächlich geschädigten „Eigentümer“ der beschädigten Sache.
Wenn der am Steuer des anderen Kfz sitzende Fahrzeug-„Führer“ zugleich Unfallbeteiligter und, weil er auch „Eigentümer“ des Fahrzeugs ist, zugleich Geschädigter ist, bleibt die Sache unproblematisch:
Dann gibt es nur einen „Feststellungs-Berechtigten“, und zwar die Person, die am Steuer des anderen Kfz sitzt. Ob er das wirklich ist, kann nur durch die Frage festgestellt werden: „Sind Sie nicht nur der Fahrer sondern auch der Eigentümer dieses Kfz?“
Diese eine Person (Eigentümer) hat zwei Interessen: Sie hat in tatsächlicher Hinsicht (weil die rechtlichen Probleme keine Rolle spielen) Interesse an der Klarstellung der eigenen zivilrechtlichen Verantwortlichkeit, weil man nämlich eigene Schadenersatz-Ansprüche, die man (oft auch zu Unrecht) zu haben meint, durchsetzen will, notfalls mit Hilfe eines Rechtsanwalts. Man will eventuell später versuchen, Geld von dem anderen Unfallbeteiligten zu erlangen, da nach Ansicht des einen Unfallbeteiligten der Andere durch zivilrechtliche Alleinschuld (oft in Wirklichkeit gar nicht zutreffend) den Unfall verursacht hat. Dieser Fahrzeug-Führer, nämlich der am Steuer des anderen Kfz sitzende Autofahrer, hat aber auch ein Interesse, und zwar, eventuelle zivilrechtliche Ansprüche des gegnerischen Unfallbeteiligten als unberechtigt abwehren zu können. Insoweit will auch er tatsächliche zivilrechtliche Feststellungen treffen, notfalls durch die Polizei, ob und wer von beiden überhaupt einen Schaden (zivilrechtlich) schuldhaft verursacht hat oder nicht.
Wegfahren darf man also nur mit Zustimmung des anderen, „gegnerischen Eigentümers“ des Kfz. Ist dieser in der Wartezeit, die man einhalten muss, nicht erschienen, muss man „unverzüglich“ (also ohne Umweg, z.B. ohne Aufsuchen der eigenen Wohnung) eine „nahegelegene“ (nicht die „nächste“) Polizei-Dienststelle aufsuchen (also: „hinfahren“, nicht dort nur „anrufen“) und dort alles mitteilen, was stattgefunden hat; am besten lässt man dort alles protokollieren, was man erlebt hat; auch die Visitenkarte des Polizeibeamten sollte man sich sicherheitshalber geben lassen und verwahren. Es hilft einem auch nicht, wenn man meint, man würde „nur als Zeuge“ in Betracht kommen.
Die Unkenntnis der laut Gesetz bestehenden Pflichten schützt im Übrigen den Autofahrer grundsätzlich nicht vor einer Bestrafung. Jeder Staatsanwalt und Richter geht davon aus, dass ein Autofahrer, der einen Führerschein hat, sich – auch wenn er es in der Fahrschule nicht gelernt hat – darum kümmern muss, welche Gesetze im Straßenverkehr gelten, die man beachten muss. Dem Bürger, der diese Gesetze nicht insgesamt kennt, ist zuzumuten, sich ein kleines Buch zu kaufen, die entsprechenden Verkehrsgesetze durchzulesen und dann, wenn er etwas nicht versteht, nachzufragen, beispielsweise beim Verkehrsberater des ADAC oder bei Rechtsanwälten. Dies gilt auch nicht nur für Fahrer von Kraft-Fahrzeugen (z.B. Autos), sondern auch für Radfahrer sowie Besitzer von Einkaufs-Wagen und sonstigen „Fahrzeugen“.
Die Rede war nun davon, dass der am Steuer sitzende Autofahrer nur dann auch der Feststellungs-Berechtigte ist, wenn er nämlich zugleich auch geschädigter Eigentümer ist. Manchmal liegt aber eine andere Konstellation vor: Hat der entsprechende andere unfallbeteiligte Fahrer das Auto nur geliehen, so ist der Verleiher bzw. Vermieter der eigentliche „Eigentümer“, der auch informiert werden muss. Dieser – oft nicht anwesende – Eigentümer hat aber ein eigenes „Feststellungs-Interesse“. Ist bei dem Unfall sogar ein Mensch getötet worden, haben nahe Angehörige oder Unterhalts-Berechtigte des Getöteten ein eigenes Feststellungsinteresse und müssen deshalb ebenfalls zusätzlich benachrichtigt werden.
Dies bedeutet mithin stets, dass man den entsprechenden Autofahrer, also den „Gegner“, fragen muss, ob er auch „Eigentümer“ des Kfz ist; ist er es nicht, muss man absolut sicher sein, dass der (andere) Fahrzeugführer diesen wirklichen (nicht anwesenden) Eigentümer über alles, aber auch wahrheitsgemäß, unterrichtet; sonst muss man selbst den entsprechenden Eigentümer erforschen und benachrichtigen, oder, wenn das alles nicht möglich ist, „ersatzweise“ eine nahe gelegene Polizeistation aufsuchen und dort das Erlebte zu Protokoll geben.
Es gibt auch Fälle, in denen ein Kind oder ein minderjähriger Jugendlicher oder gar ein „Betrunkener“ der „Gegner“ ist. Oft fragt der Autofahrer dann diese Person, ob sie verletzt sei; die Person antwortet dann in der Regel, sie habe keine Schmerzen, es sei auch nichts an dem von ihm benutzten Fahrrad oder Mofa beschädigt worden. Dann geht diese andere Person weg. Erst später stellt sich dann heraus, dass an dem Fahrrad oder Mofa doch etwas beschädigt ist (was im „Schock“ oder in der Eile übersehen wurde) oder dass diese Person beispielsweise beim Umknicken des Fußes zunächst keine Schmerzen gespürt hat, diese jedoch später aufgetreten sind, oder – wie auch bei Erwachsenen – ein so genanntes Schleudertrauma im Nacken eingetreten ist, was manchmal sogar erst später bemerkt wird. Auch in einem äußerlich oft nicht zu bemerkenden „Schock“ behauptet der andere Unfallbeteiligte oft, er habe nichts; darauf darf man sich nicht verlassen.
Eine minderjährige Person (Kind oder Jugendlicher) ist in der Regel nie Feststellungs-Berechtigter (am besten, man lässt sich den Personalausweis zeigen); immer muss man dann die Eltern bzw. den Erziehungsberechtigten dieser Person aufsuchen. Ist dies nicht möglich, weil der Jugendliche wegläuft oder wegfährt, muss man „ersatzweise“ eine „nahe gelegene“ Polizei-Dienststelle aufsuchen und dort den Sachverhalt mitteilen. Man vermeidet nur dadurch eine Bestrafung wegen „Verkehrsunfallflucht“.
- Keine „Schuld” an dem Unfall – „Mögliche” Beteiligung („Verursachung” nicht erforderlich)
Wie steht es nun damit, dass der Betroffene oft die Meinung vertritt, er habe an dem Unfallgeschehen keine Schuld; die Alleinschuld liege bei dem Anderen? Es sei im Übrigen auch kein Fremd-Sach-Schaden (bei Personen-Schaden keine Verletzung) eingetreten, zumindest sei keiner zu sehen gewesen. Oft ist der Autofahrer noch der Meinung, dass er mit der ganzen Sache gar nichts zu tun habe, und fährt deshalb weg.
Auch diese Problematik ist ausdrücklich geregelt: In Absatz 4 des § 142 StGB steht folgender Satz, der an sich der wichtigste Satz des Gesamt-Paragrafen ist, den aber wohl die Mehrheit der Autofahrer nicht kennt:
Unfallbeteiligter ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann.
Selbstverständlich ist es für eine „Unfall-Beteiligung“ (was nicht identisch ist mit einer „Verursachung“) nicht ausreichend, dass irgendeine Person einen unbegründeten Verdacht äußert, jemand könne etwas mit dem Unfall zu tun haben. Es reicht aber die reine Möglichkeit einer unmittelbaren Unfall-Verursachung aus, wie sich aus den Worten des Gesetzes („beigetragen haben kann“) genau ergibt, z.B. wenn man ein anderes Fahrzeug (oder eine Person) unmittelbar berührt, aber nicht beschädigt.
Es genügt mithin – aus der Sicht eines neutralen objektiven Beobachters – auch schon aus, wenn eine an der Unfallstelle anwesende Person den nicht von vornherein unbegründeten Verdacht einer möglichen unmittelbaren Unfall-Verursachung äußert, wenn man also darauf „angesprochen“ wird. Es wird einem nicht zu Gute gehalten, dass man meinte, man sei „nur als Zeuge“ angesprochen worden. Vom Unfallort darf sich mithin – was die meisten Autofahrer nicht wissen – nur der entfernen, der als Verursacher eines Unfalls zweifelsfrei nicht in Betracht kommt; wenn sich also der Unfall mit Sicherheit auch ohne seine Anwesenheit ereignet hätte, was selten der Fall ist; ein diesbezügliches „Nicht-Wissen“ hilft aber dem Betroffenen auch nicht.
Eine spätere Feststellung, dass man, als man weggefahren ist, keine Ursache für den Unfall gesetzt hat (also zivilrechtlich unschuldig ist, weil man keinen Schaden verursacht hat), schließt eine Bestrafung nach § 142 StGB in der Regel nicht aus. Ein Kraftfahrer, gegen den man zivilrechtlich mithin keine Schadenersatz-Ansprüche durchsetzen kann, kann sich also doch strafbar machen, weil es nämlich unerheblich ist, ob den am Unfall Beteiligten ein „Verschulden“ trifft. Eine unmittelbare „Beteiligung“ am Unfall bedeutet nämlich keine schuldhafte „Verursachung“. Ein – zivilrechtlich betrachtet – Unschuldiger kann also u.U. bestraft werden, wenn ein anderer den Unfall verursacht hat, er selbst aber das andere Fahrzeug – danach – nur (unmittelbar) berührt hat, weil der geschädigte Eigentümer als „Feststellungsberechtigter“ auch dann ein „Interesse an der Feststellung“ hat, ob der verdächtigte Betroffene nun tatsächlich bei der Berührung den Unfall schuldhaft verursacht hat oder nicht; der Feststellungsberechtigte darf also auch feststellen, dass der Verdächtigte (zivilrechtlich) unschuldig ist. Er hat auch ein (zivilrechtliches) Interesse daran, sich gegen eventuell unberechtigte Schadenersatz-Ansprüche zu schützen. Wenn man nun verhindert, dass der Feststellungs-Berechtigte solche Beweise (Anhaltspunkte für eventuell eigene Schadenersatz-Ansprüche zu stellen oder sich dagegen zu schützen) sammelt, indem man wegfährt oder weggeht, macht man sich strafbar, auch wenn man selbst den Schaden nicht verursacht hat.
Allerdings muss ein Verkehrs-Unfall mit Personen- oder Sachschaden tatsächlich generell passiert sein (kein Unfall = keine Straftat); das sollte stets auch ein technischer Sachverständiger prüfen und in seinem Gutachten darauf hinweisen, wenn das zutrifft.
Man kann sich sogar den Fall vorstellen, dass jemand von seinem Privatgrundstück aus mit seinem Pkw einen anderen Verkehrsteilnehmer in der Nacht mit einem starken Scheinwerfer blendet und dieser in Folge dessen einen Verkehrsunfall verursacht (z.B. der Andere fährt an einen Bordstein und beschädigt dabei seine teure Felge); auch dann ist man selbst wegen des Einflusses der starken Scheinwerfer ein Unfall-Beteiligter und hat die Pflichten zu erfüllen, die § 142 StGB vorschreibt. Die Berührung eines Kfz ist also noch nicht einmal Voraussetzung für eine spätere Bestrafung.
Bei nur mittelbarer Mitverursachung eines Unfalls im Straßenverkehr ist allerdings nur derjenige ein Unfallbeteiligter, der sich verkehrswidrig verhalten hat oder der über die normale Verkehrsteilnahme hinaus auf das Verkehrsgeschehen eingewirkt hat; hierfür müssen aber auch zureichende objektive Anhaltspunkte vorliegen; maßgebend ist diese Beurteilung im Zeitpunkt des Verkehrsgeschehens.
Dies schließt natürlich nicht aus, dass man selbst – am besten über einen eingeschalteten Rechtsanwalt als Verteidiger – frühzeitig einen technischen Sachverständigen (bei „Abgelenkt-sein“ in der Regel auch einen medizinischen bzw. psychologischen oder medizinisch-psychologischen Sachverständigen; vgl. Himmelreich, DAR 2010, 45) einschaltet; die Kosten für ein solches „Privatgutachten“ eines technischen Sachverständigen trägt zunächst die Rechtsschutz-Versicherung im Rahmen des Deckungsschutzes. Dieser fällt leider dann aber rückwirkend weg, wenn man rechtskräftig wegen dieses (Vorsatz-)Deliktes verurteilt wird.
- „Bemerkbarkeit” einer Berührung
Die private Einschaltung eines (technischen) Sachverständigen führt in der Regel dazu, dass zumindest Zweifel z.B. hinsichtlich der „Zuordnung“ des Schadens, der „unfallbedingten Höhe“ des Fremd-Sach-Schadens und der „Bemerkbarkeit der Kfz-Berührung“ bei der Staatsanwaltschaft geweckt werden mit der Folge, dass das Verfahren schon vor Anklageerhebung – oft nur gegen Zahlung einer Geld-Buße, was nicht zu einer Verurteilung, auch nicht zu Punkten, führt – eingestellt wird.
Dadurch werden auch die Kosten des gerichtlichen Verfahrens, erst recht für den Gerichtstermin, eingespart, was sowohl den Betroffenen als auch seine Rechtsschutz-Versicherung freuen wird. Ferner fallen in solchen Fällen weiterhin nicht die Kosten eines von der Justiz beauftragten Sachverständigen an (der manchmal aus seiner subjektiven Sicht als „Gegen-Gutachter“ anderer Meinung ist als der – von einem selbst eingeschaltete – Privatgutachter). Wenn der Verteidiger ein Gutachten des privat eingeschalteten vereidigten Sachverständigen überreicht, übernimmt also in der Regel die Rechtsschutz-Versicherung (erst einmal) dessen Kosten.
Aber auch dann, wenn ein Sachverständiger beispielsweise bei einer reinen „Berührung“ der Fahrzeuge feststellt, dass der Betroffene keinen Schaden angerichtet hat, ist allerdings ein Freispruch oft ausgeschlossen, weil auch bei einer Berührung der Fahrzeuge der Andere ein Feststellungsinteresse hat (ob und wer einen Schaden angerichtet oder verstärkt hat oder nicht), der Betroffene also weiterhin seine Pflichten hätte erfüllen müssen, beispielsweise weiter hätte warten müssen und ggf., wenn der Andere immer noch nicht anwesend ist, eine nahe gelegene Polizeidienststelle hätte aufsuchen müssen, auch dann, wenn er selbst – aus seiner subjektiven Sicht – keinen Schaden angerichtet hat.
Der eingeschaltete Sachverständige sollte sein (positives) Gutachten möglichst mit folgendem, dem Gesetz im Wortlaut entsprechenden Abschluss-Satz beenden: „Der Beschuldigte durfte mithin davon ausgehen, dass sein Verhalten nach den vorliegenden Umständen nicht zur Verursachung eines Unfalls beigetragen haben konnte“.
Es darf aber nie übersehen werden: Wird man im Hinblick auf den „Unfall“ von einer Person angesprochen, heißt das inhaltlich, dass man damit etwas zu tun haben könnte; auf die Tatsache, dass man dieses vorher nicht bemerkt hat, kommt es dann nicht mehr an; dann kann einem dann auch ein Sachverständiger i.d.R. insoweit nicht mehr helfen, die Nichtbemerkbarkeit zu beweisen. Vielleicht kann ein Sachverständiger aber dann noch (glaubhaft) bestätigen, dass man gar keinen Fremd-Sach-Schaden erkennen konnte, auch wenn man (was dann erforderlich gewesen wäre) hingeschaut hat.
Das Problem der Bemerkbarkeit lässt sich regelmäßig nur mit Hilfe von Sachverständigen richtig aufklären (vgl. dazu schon: Himmelreich, DAR 2006, 1). Man kann als Betroffener nur hoffen, einen Sachverständigen zu finden, der sich auch auf dieses Thema spezialisiert, aber sich auch auf diesem Gebiet zusätzlich weitergebildet hat (vgl. Himmelreich / Mettlach, DAR 2012, 427, 428). In einem neuen Werk des bekannten technischen Sachverständigen Schmedding aus Oldenburg (Leichtkollisionen, Wahrnehmbarkeit und Nachweis von Pkw-Kollisionen mit 122 Abbildungen und 47 Diagrammen, 1. Aufl. 2011, Vieweg + Teubner Verlag, Wiesbaden) liest man z.B., dass die Prüfung einer Wahrnehmbarkeit „ohne geeignete, gut dokumentierte (teure) Crash-Versuche unmöglich“ ist. In meiner langjährigen Verteidigertätigkeit habe ich kaum Gutachter gefunden, die hinsichtlich dieses Themas in der Lage waren, diesbezügliche Crash-Versuche durchzuführen. Die entsprechende Örtlichkeit oder Vergleichsfahrzeuge fehlten z.B. dann. Ob sich die Richter bei einer insoweit – ohne Crash-Versuch – erfolgten Verurteilung wirklich sicher waren, gerecht geurteilt zu haben? In der Regel ist ein Richter nicht versierter als ein Verteidiger; beide können nicht auf allen juristischen Gebieten so spezialisiert sein, diese Problematik zu erkennen. Meistens verlassen sich die Richter aber leider oft auf Gutachter, die „gerichtsbekannt“ sind und immer in (allgemeinen) „Verkehrssachen“ von diesem Richter eingeschaltet wurden.
Wer von diesen drei „Fachleuten“ (Richter, Staatsanwalt, Verteidiger, von denen mindestens zwei den Sachverständigen verstehen und kontrollieren müssten) weiß denn schon – um einmal ein Beispiel zu nennen -, dass die durch die Kollision hervorgerufene Bewegung der Karosserie des stoßenden Kfz zwei Arten von Bewegungen umfasst: Zum einen handelt es sich um die durch die Kollision verursachten Schwingungen in der Fahrzeug-Karosserie, zum anderen um die durch die Kollision hervorgerufenen Nick- und Wank-Bewegungen des Karosserie-Aufbaus. Diese beiden Arten von Bewegungen unterscheiden sich nämlich maßgeblich in ihrer Frequenz, also in der Tonhöhe. Die Nick- und Wank-Bewegungen sind sehr niedrig-frequent („tiefe Töne“). Die Wahrnehmung dieser beiden verschiedenen Bewegungen erfolgt über zwei unterschiedliche Sinne, die auf unterschiedlichen physikalischen Prinzipen beruhen. Die Wahrnehmung der hoch-frequenten Fahrzeugschwingungen wird durch die Mechano-Rezeptoren in der Haut vermittelt, die im Wesentlichen die Druckänderungen auf der Hautoberfläche verursachen. Die nieder-frequenten Nick- und Wank-Bewegungen des Aufbaus werden hingegen hauptsächlich über den Vestibulär-Apparat (Gleichgewichts-Sinn), der Richtungs-Änderungen der auf den Kopf einwirkenden Beschleunigung wahrgenommen.
Welcher Richter oder Staatsanwalt weiß denn schon – worauf auch Schmedding (a.a.O., S. 26) hinweist – , dass einerseits im Hinblick auf die Wahrnehmung beeinträchtigender kollisionsfremder Einflüsse gerade die Einstellung der Radiolautstärke und insbesondere die Art der Radio-Sendung (Wortsendung, Hörspiel) die Wahrnehmungsmöglichkeiten enorm beeinflussen, da z.B. gerade bei Wortsendungen der Anteil der Nieder-Frequenzen überdurchschnittlich groß ist; andererseits muss man berücksichtigen, dass eine Radio-Sendung durchschnittlich um 3 bis 6 dB(A) lauter als das lauteste vorkommende Geräusch im Pkw-Inneren eingestellt ist (vgl. Schmedding, a.a.O.).
Zur Nichtbemerkbarkeit wegen „Abgelenktsein“ vgl. Himmelreich, DAR 2010, 45.
- Strafbare „Beteiligung” des Beifahrers?
Wer als Halter oder Eigentümer des Kraftfahrzeugs die Sachherrschaft über den Pkw hat, muss den Fahrer, der neben ihm sitzt, davon abhalten, wegzufahren, weil er sonst selbst auch zusätzlich Täter, zumindest Gehilfe zu dessen „Verkehrsunfallflucht“, ist. Dies ist oft bei Ehepaaren der Fall; beide können in solchen Fällen bestraft werden, auch wenn nur einer fährt.
Wenn nicht klar ist, wer das Fahrzeug gesteuert hat, kommt auch der auf dem Beifahrersitz mitfahrende Fahrzeug-Halter oder Fahrzeug-Eigentümer, der in Wirklichkeit nichts tut und nur stumm neben dem Fahrer sitzt, in den nicht ganz unbegründeten Verdacht, den Unfall selbst verursacht oder mitverursacht zu haben; er läuft dann Gefahr, später auch als Unfallflucht-Täter verurteilt zu werden.
- Vertretung bei der Pflichterfüllung
Die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen können auch durch feststellungs-„bereite“ und insoweit auch feststellungs-„willige“ andere Personen zu Gunsten sämtlicher Feststellungs-Berechtigten erfolgen, mithin durch so genannte „Dritte“. In diesem Zusammenhang sei noch einmal daran erinnert, dass es lediglich um tatsächliche Feststellungen, nicht jedoch um rechtliche Dinge geht; es ist mithin uninteressant, wer die höhere Verantwortlichkeit hat, ob mithin der eine oder andere mehr oder weniger oder überhaupt (zivilrechtlich) Schuld an dem entstandenen Fremd-Sach-Schaden bzw. der eingetretenen Körperverletzung hat; es kommt auch – aber nur insoweit – nicht darauf an, wie hoch der Fremd-Sach-Schaden ist; lediglich bei einem Streit nur über die Höhe des Schadens macht sich der nicht strafbar, der wegfährt.
Die Person, die als „Ersatz“ für die Erfüllung der eigenen Pflichten ausersehen ist, muss wirklich gewillt und insbesondere fähig sein, diese tatsächlichen Feststellungen zu Gunsten des geschädigten Eigentümers oder vermeintlichen Geschädigten zu ermöglichen. Diese (Ersatz-) Person muss genügend Erfahrung haben, um bei einem späteren Streit über die zivilrechtliche Verantwortlichkeit sachdienliche Angaben zu machen, insbesondere auch über den Unfallhergang. Solche Ersatz-Personen, sog. „Dritte“, sind beispielsweise die Polizei, ein Kfz-Sachverständiger, aber auch jede andere an der Unfallstelle erscheinende Person, die dazu in der Lage ist. Bei Kindern, Jugendlichen und alkoholisierten Personen wird dies in der Regel nicht der Fall sein.
Wichtig ist, dass diese Ersatz-Person erkennbar auch den Willen hat, ihre Feststellungen, mithin ihr erlangtes Wissen, einschließlich des Namens des Autofahrers, der hier in Betracht kommt, den anderen feststellungs-berechtigten Unfallbeteiligten zur Kenntnis zu bringen. Man muss sich also auch absolut vergewissern, dass die Ersatz-Person zuverlässig ist sowie tatsächlich sämtliche Pflichten übernimmt und auch das erlangte Wissen weitergibt, das sämtliche Dinge umfasst, die in § 142 StGB aufgeführt sind.
Tritt einmal der Fall ein, dass ein Halter oder Eigentümer eines Kfz nach einem Unfall, den sein (eigener) Fahrer verursacht hat, weg will und er den anderen unfallbeteiligten Fahrer bittet, diese Ersatz-Person für ihn, den Halter, zu sein, so ist dieser nach der Rechtsprechung eine untaugliche Person, da von einem unfallbeteiligten Fahrer wegen seiner möglichen eigenen Tatbeteiligung nicht erwartet werden kann, dass er zu Gunsten des wirklich geschädigten Eigentümers tatsächlich die Feststellungen, die ihm aufgetragen sind, erfüllt.
- „Tätige Reue“: Milderung bei oder Verzicht auf Bestrafung
Wenn man als Unfallbeteiligter innerhalb von 24 Stunden nach einem Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs, der ausschließlich nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat, freiwillig sämtliche Feststellungen nachträglich ermöglicht, kann das Gericht die Strafe mildern oder ganz von Strafe absehen (vgl. dazu u.a.: Andreae, in Karbach (Hg.), Festschrift für Klaus Himmelreich, 2007, Luchterhand-Verlag, Köln, S. 9 ff.). Allerdings bleiben dann immer noch [zwei] „(Straf-) Punkte“ in Flensburg bestehen. Eine solche (positivere) Situation wird es aber leider nur recht selten geben.
„Außerhalb des „fließenden” Verkehrs” bedeutet, dass der Unfall nicht „während der Teilnahme am Straßenverkehr” verursacht sein darf. Das Beschädigen einer Leitplanke, eines Verkehrsschildes, eines Baumes oder einer Außentreppe ist also eine solche Teilnahme am Straßenverkehr. Ein Rangieren nur auf einem (ruhigen) Parkplatz geschähe allerdings z.B. im „ruhenden” Verkehr.
Ein „nicht-bedeutender” Sach-Schaden liegt nur dann vor, wenn dieser unter (z.Zt.) ca. 1.300 € (vgl. dazu oben unter Nr. 3; zum „Bagatell-Schaden” bis 50 € vgl. oben unter Nr. 1) liegt.
„Freiwillig” werden die Feststellungen auch nur dann nachträglich ermöglicht, wenn man noch nicht als Täter „ermittelt ist”. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift ist also sehr eng eingegrenzt.
- Bestrafung nur bei „Vorsatz”
Verkehrsunfallflucht kann nur „vorsätzlich“ oder „bedingt vorsätzlich“ begangen werden. Bei fahrlässiger Begehung kommt lediglich eine Ordnungswidrigkeit nach § 34 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) in Betracht. „Bedingter Vorsatz“ kann auch u.U. als Straf-Milderungsgrund (vgl. dazu unten Nr. 15) anerkannt werden.
Zum „Vorsatz“ heißt es in § 15 StGB: „Strafbar ist nur vorsätzliches Handeln, wenn nicht das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht.“
Etwas unzulänglich wird dies dann, weil der Gesetzgeber es nicht genau beschrieben hat, von Rechtsprechung und juristischer Fachliteratur so wie folgt ausgelegt: Wissen und Wollen der zum gesetzlichen Tatbestand gehörenden objektiven Merkmale.
Von „bedingtem“ Vorsatz wird ausgegangen, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt und billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen wenigstens mit ihm abfindet, mag ihm auch der Erfolgseintritt an sich unerwünscht sein.
Nur „fahrlässig“, also nicht vorsätzlich und damit straflos, handelt derjenige, der hätte erkennen können und müssen, dass ein nicht ganz unerheblicher Schaden entstanden ist, und sich diesbezüglich nicht vergewissert hat (vgl. die Rechtsprechungs-Nachweise bei: Himmelreich / Bücken / Krumm, Verkehrsunfallflucht, 5. Auflage 2009, Rn. 242 ff. – Himmelreich / Krumm / Staub, Verkehrsunfallflucht, 6. Auflage 2013, Rn. 328). Eine solche „nachlässige Nachschau“ kann allerdings dann doch wieder zu einer Bewertung als „bedingter“ Vorsatz führen, wenn besondere Umstände, z.B. heftiger Anprall, größerer Schaden am eigenen Kfz, vom Betroffenen zu erkennen waren (vgl. die Nachweise bei: Winkler, in: Himmelreich / Halm (Hgg.), Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, Kap. 33, Rn. 142).
Hierzu gibt es eine positive Gerichtsentscheidung des Kammergerichts Berlin (KG, Beschluss vom 21.12.2011 – [3] 1 Ss 389/11 [127/11], DAR 2012, 393): „Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass, wer beim Einparken gegen ein anderes Fahrzeug stößt … dies in der Vorstellung tut, einen seine Festellungspflicht auslösenden Schaden verursacht zu haben“.
- „Vorsatz-ausschließende“ (nachvollziehbare und glaubhafte) Irrtümer, wenn man überhaupt etwas bemerkt hat
Zu einem vorsatz-ausschließenden, also straflosen Tatbestands-Irrtum heißt es in § 16 Absatz 1, Satz 1 StGB: „Wer bei der Begehung der Tat einen Umstand nicht kennt, der zum gesetzlichen Tatbestand gehört, handelt nicht vorsätzlich“.
Zu einem (unvermeidbaren oder vermeidbaren) Verbots-Irrtum heißt es in § 17 StGB: „Fehlt dem Täter bei Begehung der Tat die Einsicht, Unrecht zu tun, so handelt er ohne Schuld, wenn er diesen Irrtum nicht vermeiden konnte. Konnte der Täter den Irrtum vermeiden, so kann die Strafe … gemildert werden.“ Vermeidbar, also strafbar, aber strafmildernd ist dieser, wenn der Täter die gehörige Anspannung seines Gewissens unterlassen und dadurch versäumt hat, das Unrechtmäßige seines Handelns zu erkennen; das Maß der erforderlichen Gewissens-Anspannung richtet sich dabei nach den Umständen des Falles und nach dem Lebens- und Berufskreis des Einzelnen.
So ist beispielsweise ein Irrtum über die „tatsächlich“ verstrichene Wartezeit ein den „Vorsatz“ ausschließender „Tatbestands-Irrtum“, der dazu führt, dass man nicht bestraft wird; dasselbe gilt bei einem Irrtum über die tatsächlichen Umstände, nach denen eine geringere Wartefrist oder gar keine Wartepflicht mehr bestünde.
Ein Irrtum über das „Mindestmaß der Wartezeit“ wäre nur ein – meistens vermeidbarer – „Verbots-Irrtum“, der zur Strafbarkeit führt, allerdings einen „Straf-Milderungsgrund“ (vgl. unten unter Nr. 15) darstellt.
Weitere nicht strafbare Tatbestands-Irrtümer sind
(die Fundstellen der Rechtsprechung vgl. bei: Himmelreich, DAR 2007, 44; Himmelreich / Bücken / Krumm, Verkehrsunfallflucht, 5. Auflage 2009, Rn. 249 ff. – Himmelreich / Krumm / Staub, Verkehrsunfallflucht, 6. Auflage 2013, Rn. 352):
- Die irrige Meinung, die tatsächlichen Umstände begründeten keinen Beteiligten-Verdacht
- Der Irrtum, es habe sich kein Unfall ereignet
- Die Meinung, der Feststellungs-Berechtigte habe keinerlei Feststellungs-Interesse
- Bei zweifelsfreiem Glauben, der Feststellungs-Berechtigte habe keinerlei Interesse an seinem weiteren Verbleiben am Unfallort gezeigt
- Die Vorstellung, der Feststellungs-Berechtigte lege auf unmittelbare Feststellungen am Unfallort keinen Wert
- Die Annahme, es sei kein oder nur ein völlig belangloser Schaden entstanden oder diesen habe man nicht als Unfall-Folge angesehen
- Bei nachvollziehbarem Glauben, der Unfall sei restlos aufgeklärt gewesen
- Der Irrtum, „alle“ Feststellungen seien bereits getroffen worden
- Wenn man irrtümlich und nachvollziehbar davon ausgeht, dass der Feststellungs-Berechtigte nach Entgegennahme der Anschrift des Anderen auf weitere Feststellungen keinen Wert mehr lege
- Die irrtümliche (fahrlässige) Meinung über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechfertigungs-Grunds; z.B. der Andere sei in Kenntnis des Unfalls, ohne anzuhalten, weitergefahren und habe damit seiner Meinung nach auf die Ermöglichung weiterer Feststellungen – konkludent – verzichtet
- Die irrtümliche Annahme, man könne von einem „endgültigen – konkludenten – Verzicht“ durch den Feststellungs-Berechtigten ausgehen (oder durch „alle“ Feststellungs-Berechtigten, wenn mehrere vorhanden sind)
- Beim Irrtum über die Person des Feststellungs-Berechtigten, wenn in Wirklichkeit ein „Nicht-Feststellungs-Berechtigter“ (z.B. der Fahrer des andern Kfz, der nicht zugleich dessen Eigentümer ist) einen Verzicht erklärt hat
- Die Meinung, es lägen die tatsächlichen Voraussetzungen für einen – „mutmaßlichen – Verzicht“ des Feststellungs-Berechtigten vor
- Der Irrtum, es lägen die tatsächlichen Voraussetzungen einer „mutmaßlichen Einwilligung“ von Seiten des Feststellungs-Berechtigten vor
- Der Irrtum (nur) über die tatsächliche Höhe des entstandenen Fremd-Sach-Schadens
- Bei irriger Meinung, das Interesse des Feststellungs-Berechtigten sei durch seine – diesem gegenüber abgegebene – Erklärung, „Ersatz zu leisten“ (= i.S. eines pauschalen Schuldanerkenntnisses), zufrieden gestellt, so dass es ihm jetzt nur (!) noch darum geht, einer Strafverfolgung zu entgehen
- Bei irriger Annahme, der sog. feststellungs-bereite und -fähige „Dritte“ würde den Auftrag ordnungsgemäß ausführen
- Der Irrtum, dass die eigene Alkoholisierung für die gesetzlichen Schadenersatz-Ansprüche keine Rolle spielen könne
- Die Meinung, es sei kein (weiterer) Feststellungs-Berechtigter vorhanden
- Wenn man den Standort seines Kfz, dessen Halter man nicht ist, irrig falsch angibt
- Wenn eine entferntere Polizei-Dienststelle für die nahegelegene gehalten wird
- Der Betroffene meint irrig, der Schaden betreffe ausschließlich ihn selbst
- Man nimmt irrig an, der Unfall sei nur vorgetäuscht
- Wenn man sich von tatsächlichen Umständen (zur Vorstellung über die Schadens-Höhe mit der Folge einer geringeren Wartezeit vgl. oben unter Nr. 2, Abs. 7) falsche Vorstellungen gemacht hat
- Der Irrtum, der Unfall sei auf privatem Grund (also nicht im „öffentlichem Verkehrsraum“) geschehen
- Man meint glaubhaft, dass das „kindliche Opfer“ selbst feststellungs-fähig sei, aber keine Feststellungen treffen will
- Der Betroffene geht glaubhaft, aber irrtümlich davon aus, dass niemand in absehbarer Zeit an der Unfallstelle vorbeikommen würde
- Glaubhafte Strafmilderungs-Gründe
Folgende Gründe, die zu einer geringeren Bestrafung – manchmal auch zu einer Verfahrens-Einstellung mit oder ohne Geld-Buße – führen können, werden von der Rechtsprechung und der juristischen Fach-Literatur anerkannt (Nachweise vgl. bei: Himmelreich / Bücken / Krumm, Verkehrsunfallflucht, 5. Auflage 2009, Rn. 258 a – Himmelreich / Krumm / Staub, Verkehrsunfallflucht, 6. Auflage 2013, Rn. 364):
Unterpunkte:
- „Zivilrechtliche“ Schuldlosigkeit (vgl. dazu oben unter Nr. 8)
2. Kausales Mitverschulden des „Gegners“
3. Erlittene starke Selbstverletzung durch diesen Vorfall
4. Hoher Eigenschaden durch diesen Vorfall
5. Arbeitslosigkeit durch diesen Vorfall
6. Absolvierte Nachschulung/Therapie im Hinblick auf dieses Delikt
7. Geringfügige Unfallfolgen
8. Unfallschock
9. Kopflosigkeit
10. Zustand der Alkoholisierung
11. („Nur“) bedingter Vorsatz (vgl. dazu oben unter Nr. 13)
12. Schwangerschaft
13. Nachträgliche Meldung des Unfalls bei der Polizei, trotz Tatbestands-Verwirklichung sowie ohne „tätige Reue“
14. Glaubhafter, fester Wille zur Wiedergutmachung
15. Freiwillige Rückkehr an den Unfallort trotz Tatbestands-Verwirklichung
16. Tatsache, dass der Betroffene schon eine gewisse, aber nicht ausreichende Zeit gewartet hat oder die erforderlichen Pflichten wenigstens teilweise erfüllt hat oder sich nur entfernt hat, um wichtige Angelegenheiten zu erledigen
17. Die Erwartung eines größeren Regresses des Haftpflicht-Versicherers (vgl. unten unter Nr. 17 a)
18. Verbotsirrtum (vgl. oben unter Nr. 14, Abs. 2)
19. „Tätige Reue“ (vgl. oben unter Nr. 12)
- Vermeidung oder Verkürzung von Fahrverbot und Fahrerlaubnis-Entzug durch psychologische Nach-Schulung/ Verkehrs-Therapie
Es bieten Maßnahmen-Träger, die für das Verwaltungsrecht akkreditiert worden sind, auch für das Strafrecht spezielle (auch präventive) Kurse/ Verkehrstherapien für nicht mit Alkohol und/oder Drogen auffällige Kraftfahrer (wie z.B. beim Vorwurf von Unfallflucht) an, z.B. die IVT-Hö (= Individualpsychologische Verkehrs-Therapie-Dr. Höcher) die Maßnahme „HBS-PUMA“.
Diese Kursmodelle/ Verkehrstherapien speziell fürs Strafrecht und speziell für nicht mit Alkohol und/oder Drogen auffällige Kraftfahrer haben die Vermeidung des Fahrerlaubnis-Entzugs oder die strafrechtliche Sperrfrist-Aufhebung oder -reduzierung (Ver- oder Abkürzung) um mehrere Monate hinsichtlich eines Fahrerlaubnis-Entzugs auf Grund einer gravierenden Straftat zum Ziel (wozu auch die „Unfallflucht“ mit „bedeutendem“ Fremd-Sach-Schaden zu zählen wäre); auch zur Reduzierung oder Vermeidung eines Fahrverbots sollte ein solcher Kurs verwendet werden.
Allerdings: Nicht sämtliche Strafgerichte sind über solche Kurse genau informiert. Daher hat hier der Strafverteidiger eine wichtige Rolle einzunehmen, nämlich insoweit den Richter aufzuklären (vgl. dazu u.a.: Himmelreich / Karbach, SVR 2009, 1; Himmelreich / Krumm / Staub, DAR 2014, 46; Winkler, in: Himmelreich / Halm (Hgg.), Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, Kap. 33, Rn. 307; Müller, SVR 2015, 241). Da mancher Rechtsanwalt diese Nachschulungen/ Kurse/ Verkehrstherapien auch nicht so genau kennt, sollte der Betroffene, wenn er für einen solchen Kurs Geld ausgeben will, seinen Verteidiger befragen bzw. diesen auffordern, sich „schlauer“ zu machen und ihn, den Klienten, dann darüber zu informieren.
Der Verteidiger muss dem Straf-Gericht regelmäßig vorher die Bedeutsamkeit eines solchen psychologischen Kurses (Herbeiführung einer stabilen charakterlichen Verhaltensänderung) und deren Wirksamkeit (geringere Rückfall-Quote) erklären, am besten unter Überreichung von schriftlichen Unterlagen des entsprechenden Instituts (vgl. dazu auch: Himmelreich / Krumm / Staub, Verkehrsunfallflucht, 6. Auflage 2013, Rn. 453). Wenn dem Straf-Richter eine solche „Nachschulung“ bzw. Verkehrstherapie nicht näher bekannt ist, wird er diese auch nicht positiv berücksichtigen wollen. Bei Nicht-Berücksichtigung könnte ein versierter Verteidiger das Rechtsmittel der „Sprung-Revision“ zum OLG einlegen (mit vorherigem „richtigen“ Beweisantrag beim Amtsgericht).
17. Zivilrechtliche Nachteile:
a) Probleme mit der Haftpflicht-Versicherung:
(vgl. dazu u.a.: Himmelreich / Bücken / Krumm, Verkehrsunfallflucht, 5. Auflage 2009, Rn. 23 – Himmelreich / Krumm / Staub, Verkehrsunfallflucht, 6. Auflage 2013, Rn. 31ff)
Diese Versicherung interessiert bei der Schadenmeldung in erster Linie, ob der Fahrer berechtigt war, das Kfz zu benutzen, und ob er im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis war. Um einer Beschlagnahme der Versicherungsakten die von Staatsanwaltschaft bzw. Gericht gewünschte Wirkung zu nehmen, sollte die Frage der Versicherung nach dem Fahrer zunächst wie folgt beantwortet werden: „Der Fahrer war zur Benutzung des Kfz berechtigt und im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis. Weitere Angaben erfolgen erst später nach Abschluss des gegen mich laufenden Strafverfahrens“.
Damit ist jene Frage zwar nicht vollständig beantwortet. Von vielen Versicherungen wird dies jedoch toleriert; bei strenger Auslegung würde eine solche Antwort allerdings einen Verstoß gegen die Aufklärungspflichten darstellen, die sich als Obliegenheit aus § 7 Abs. 1, Satz 2 AKB 2002 ergeben. Dies kann nach § 7 Abs. 5, Satz 2 AKB 2002 ebenso zur Leistungsfreiheit des Versicherers bis zu einem Betrag von maximal 5.000 € führen wie die Verwirklichung des Tatbestandes der Verkehrsunfallflucht (§ 142 StGB) selbst, die auch einen Verstoß gegen die Aufklärungs-Obliegenheiten darstellt mit der Folge der Leistungsfreiheit der Kfz-Haftpflicht-Versicherung gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 AKB 2002 bis zu einem Betrag von maximal 5.000 €.
In einem solchen Fall des Verstoßes gegen die Aufklärungs-Obliegenheiten kann also die Kfz-Haftpflicht-Versicherung von dem Betroffenen Schadenersatzleistungen, die sie gegenüber dem Unfallgegner erbracht hat, i. d. R. bis zu einem Betrag von 5.000 €, ersetzt verlangen.
b) Probleme mit der Vollkasko-Versicherung
(vgl. dazu u.a.: Himmelreich / Bücken / Krumm, Verkehrsunfallflucht, 5. Auflage 2009, Rn. 25a – Himmelreich / Krumm / Staub, Verkehrsunfallflucht, 6. Auflage 2013, Rn. 34)
Unfallflucht (§ 142 StGB) stellt versicherungsrechtlich eine Obliegenheitsverletzung dar (E.1.3 AKB 2008), und zwar die vorsätzliche Verletzung einer Aufklärungsobliegenheit, weil Verkehrsunfallflucht nur vorsätzlich begangen werden kann. Bei vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung ist der Versicherer auch nach neuem VVG vollständig leistungsfrei. Werden Sie insoweit also rechtskräftig verurteilt, so ist damit zu rechnen, dass der Kaskoversicherer die Leistung verweigert. Allerdings besteht die Möglichkeit nachzuweisen, dass die Verkehrsunfallflucht (Obliegenheitsverletzung) weder für den Eintritt noch die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich geworden ist (sog. Kausalitätsgegenbeweis). Wird dieser Kausalitätsgegenbeweis von Ihnen geführt, muss der Kaskoversicherer in vollem Umfang leisten.
c) Probleme mit der Rechtsschutz-Versicherung
(vgl. dazu u.a.: Himmelreich / Bücken / Krumm, Verkehrsunfallflucht, 5. Auflage 2009, Rn. 26 – Himmelreich / Krumm / Staub, Verkehrsunfallflucht, 6. Auflage 2013, Rn. 35f.)
Zu beachten ist hier der oft unbekannte Risikoausschluss gem. § 4 Abs. 3 b ARB 75 bzw. § 2 i ARB 94/2000.
Da der Tatbestand der Verkehrsunfallflucht nur vorsätzlich begangen werden kann, besteht nämlich nach dieser Vorschrift kein Versicherungs-Schutz, wenn (später) rechtskräftig festgestellt wird, dass der Versicherungs-Nehmer (VN) die Straftat (vorsätzlich) begangen hat. Dies bedeutet, dass der Rechtsschutz-Versicherer die Deckungszusage für die Verfahrens-Kosten und die des Verteidigers zwar zunächst erteilt, jedoch unter Hinweis auf diese Einschränkung, was zur Folge hat, dass im Falle rechtskräftiger Verurteilung der Versicherungs-Schutz in der Rechtsschutz-Versicherung rückwirkend wegfällt. Für den Betroffenen bedeutet dies, dass die Rechtsschutz-Versicherung in diesem Falle bereits gewährte Leistungen, beispielsweise Honorarvorschüsse an den Verteidiger, vom Betroffenen zurückverlangen kann. Ein Rück-Forderungs-Recht der Versicherung hinsichtlich der an den Verteidiger bereits gezahlten Vorschüsse besteht jedoch diesem gegenüber nicht, sondern i. d. R. nur gegenüber dem Versicherungsnehmer (VN), also dem Betroffenen selbst. Im Endergebnis muss der Betroffene also dann sämtliche Kosten des Verfahrens und der Verteidigung selbst tragen.
- Schluss-Bemerkung
Man sieht, dass es äußerst schwierig ist, § 142 StGB hinsichtlich der negativen Folgen zu verstehen und sich vorher richtig in diesem Sinne zu verhalten. Jeder sollte sich daher – schon vorbeugend – anhand von Literatur über die Verkehrs-Vorschriften informieren und sich ergänzend von Fachleuten, z.B. beim ADAC oder von spezialisierten Anwälten, beraten lassen. Da schon nach der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung bei einem Unfallschaden von z.Zt. ab etwa 50 € die Bagatellgrenze überschritten ist (was schon zum Beispiel bei Beschädigung eines Kfz-Kennzeichens mit einer Halterung oder bei einem beschädigten Außenspiegel der Fall ist, wenn man auch noch an die Montagekosten denkt), sollte man sich stets vorbeugend über alles informieren, um ein Strafverfahren wegen „Verkehrsunfallflucht“ schon im Vorfeld zu vermeiden. Der geschädigte Eigentümer – auch dann, wenn er keinen Wert darauf legen sollte, dass der Betroffene bestraft wird – hat im Übrigen keinen Einfluss auf das dann laufende (staatliche) Straf-Verfahren; er muss bei seiner Befragung durch die Justiz wahrheitsgemäße Angaben, auch zum „Schaden“ und seiner Höhe, machen.
Eine solche Straftat ist manchmal bei einem Fremd-Sach-Schaden von nur 250 bis 500 € mit einem Fahrverbot verbunden. Bei Überschreiten der Grenze von (z.Zt.) etwa 1.300 € (vgl. oben zu Nr. 3) für anfallende Reparaturkosten, Sachverständigen-Kosten, Minderwert und Mietwagenkosten oder Nutzungsausfall-Entschädigung (diese Aufzählung ist in der Rechtsprechung streitig), oder bei (alleinigem) Personenschaden (Körperverletzung, z.B. Schock), ist in der Regel bei dieser Schadens-Höhe bzw. bei einer Körperverletzung sogar mit einer Fahrerlaubnis-Entziehung (von ca. 9 bis 12 Monaten) zu rechnen. Es handelt sich also hier nicht um ein Kavaliersdelikt. Der Betroffene ist bei einer solchen Bestrafung sowohl im Strafregister (in Berlin) für 5 Jahre als „vorbestraft“ vermerkt, aber auch in Flensburg beim Kraftfahrt-Bundesamt im Fahreignungsregister (in der sog. Verkehrssünderkartei) für mehrere Jahre mit 2 Punkten registriert (aber diese Eintragung ist nur dann zusätzlich noch mit diesen 2 Punkten verbunden, wenn die Fahrerlaubnis nicht entzogen wird). Beruflich wichtig ist eine Nichtbestrafung praktisch aber nur für den „öffentlichen Dienst“. Im „Führungs-Zeugnis“ für den privaten Arbeitgeber steht dieses (als) Erstdelikt nämlich nicht.
Wird in obigen Beispiels-Fällen aus irgendwelchen Gründen (z.B. weil die Akte 3 Monate bei dem von der Justiz beauftragten Gutachter lag) die Fahrerlaubnis nicht bis zum Gerichtstermin vorläufig entzogen, obwohl dies an sich rechtmäßig gewesen wäre, darf nach der Rechtsprechung des BGH (Bundesgerichtshofs) doch im Endergebnis ein kurzes Fahrverbot (1 bis 3 Monate) später im Urteil verhängt werden, obwohl es sich nicht (siehe den Gesetzes-Text von § 44 StGB) um einen „Regelfall“ eines zu verhängenden Fahrverbots handelt.
Besteht nun wegen eines „bedeutenden“ Fremd-Sach-Schadens die Gefahr, dass die Fahrerlaubnis entzogen wird, kann ein versierter Verteidiger (oft nur mit Hilfe eines selbst einzuschaltenden privaten technischen Sachverständigen, z.B. von der DEKRA) doch noch manchmal helfen.
Gemäß § 69, Abs. 2, Nr. 3 StGB muss dem Beschuldigten nämlich – ehe ihm die Fahrerlaubnis entzogen wird – nachgewiesen werden, dass der Betroffene selbst „wissen konnte“, dass es sich um einen so genannten „bedeutenden“ Fremd-Sach-Schaden handelte. Bei einem solchen insoweit wichtigen „subjektiven Vorstellungsbild“ des Beschuldigten muss sich dieser aber den „Schadens-Gegenstand“ auch tatsächlich angeschaut haben, um dies beurteilen zu können.
Dies ist zum Beispiel logischerweise schon nicht der Fall, wenn der Betroffene behauptet, nichts gesehen zu haben. Hat er sich aber das andere Kfz (z.B. nach einer bemerkten Berührung) auch tatsächlich (nicht nur vom Fahrersitz aus) angesehen, kommt es – im Hinblick auf einen Fahrerlaubnis-Entzug – stets auf sein eigenes subjektives „Vorstellungsbild“ hinsichtlich des Fremd-Schaden-Umfangs an, ob für ihn nämlich wirklich die objektiven Umstände erkennbar waren, die eine rechtliche Bewertung des Fremd-Sach-Schadens als „bedeutend“ begründen. Oft ist diese Einschätzung nämlich einem technischen Laien nicht möglich. Um dies zu untermauern, ist in der Regel dann ein Gutachten eines (selbst einzuschaltenden) privaten beeidigten oder vereidigten technischen Sachverständigen erforderlich, dessen Kosten – bei Nichtverurteilung – eine Rechtsschutz-Versicherung zu tragen hat, die man vorher um die entsprechende Kosten-Übernahme bittet.
Die Einschaltung eines eigenen, also „privaten“ Sachverständigen ist aber, unabhängig davon, auf jeden Fall schon deshalb stets wichtig, weil dieser in seinem Gutachten weitere Feststellungen treffen kann:
Beispielsweise zur „Zuordnung“ („Kompatibilität“) der von der Polizei evtl. behaupteten „korrespondierenden“ Schäden der sich angeblich berührenden Kfz (zumal bei Nicht-Beschädigung des eigenen Kfz), auch zur „Höhe des unfallbedingten Fremd-Sach-Schadens“ (unterhalb der Grenze der „Bedeutsamkeit“ oder zur Einstufung als „Bagatell-Schaden“), aber auch zur „Bemerkbarkeit“ (Sehen, Hören oder Fühlen der Berührung durch den Betroffenen), wodurch u.U. die vom Betroffenen behauptete „Nicht-Bemerkbarkeit“ bestätigt werden könnte. Damit wäre eine „Bestrafung“ meistens – wenn die Justiz nicht „amtlich“ ein Gegen-Gutachten einholt, das zu einem anderen Schluss kommt – zu vermeiden; aber auch bei einem für den Betroffenen negativen „amtlich“ eingeholten Gutachten besteht wegen der sich widersprechenden Gutachten die Möglichkeit einer „Einstellung“ des Straf-Verfahrens unter der Auflage der Zahlung (nur) einer Geld-Buße (ohne Bestrafung) an die Gerichtskasse oder an eine „Gemeinnützige Organisation“ (z.B. „Rotes Kreuz“). Ein „Bemerken“ kann u.a. auch ausgeschlossen sein durch „Abgelenkt-sein“ (vgl. dazu: Himmelreich, DAR 2010, 45); dieses kann ein psychologischer oder medizinisch/ psychologischer Gutachter beurteilen.
Die Justiz braucht allerdings ein vom Beschuldigten eingeholtes „Privatgutachten“ nicht einfach zu akzeptieren; sie kann dann auch einen anderen, weiteren Sachverständigen „amtlich“ beauftragen, der zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen könnte, das die Justiz daraufhin zu Grunde legt. Oft schaltet ein versierter Verteidiger mit Zustimmung des Betroffenen daraufhin einen weiteren „privaten“ Gutachter (z.B. die DEKRA) ein, den der Betroffene aber (weil eine Rechtsschutz-Versicherung nur für einen Sachverständigen aufkommt) dann selbst direkt bezahlen muss.
Eine Prüfung der „Bemerkbarkeit“ durch den Sachverständigen wird dann allerdings gegenstandslos, wenn ein Zeuge den Beschuldigten auf eine Verursachung des Fremd-Sach-Schadens hinweist, indem er ihn z.B. darauf anspricht (oder von Weitem zuruft, dass etwas passiert sei), auch dann wenn der Betroffene und sein eventueller Zeuge der (subjektiven) Meinung sind, es sei kein Schaden beim Anderen eingetreten, aber auch nicht zu erkennen gewesen.
Behauptet gar ein Kraftfahrer, er habe alles „nicht bemerkt“ oder er habe „keinen Schaden am anderen KFZ gesehen“, läuft er darüber hinaus auch noch Gefahr, dass die Staatsanwaltschaft einen entsprechenden Bericht an die verwaltungsrechtliche Fahrerlaubnis-Behörde schickt zwecks Begutachtung der Fahrtauglichkeit im Verkehrs-Verwaltungsrecht durch eine „amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung“ (BfF bzw. MPU; sog. „Idiotentest“; vgl. dazu u.a.: Winkler, in: Himmelreich / Halm (Hgg.), Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, Kap. 33, Rn. 180 ff.).
Im Verkehrsverwaltungsrecht (Fahrerlaubnisrecht) gilt – anders als im Strafrecht – der Gesichtspunkt „Im Zweifel für die Verkehrssicherheit“ der Allgemeinheit; insoweit wird in der Regel dort schon bei leichten Zweifeln die „Fahreignung“ überprüft. Mittels äußerst schwieriger Tests wird insoweit (z.B. beim TÜV) geprüft, ob ein körperlicher Mangel (Hör- oder Seh-Vermögen) vorliegt oder ob der Betroffene hinsichtlich seines Charakters „oberflächlich“ bzw. „ihm insoweit alles egal bzw. wurscht“ ist, und er deshalb vom Schaden am anderen KFZ „nichts sieht“, was den Autofahrer dann insgesamt als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erscheinen lässt oder den Betroffenen sonst einer Überprüfung zuführt, ob er nämlich den Anforderungen des Straßenverkehrs auf andere Weise (z.B. hinsichtlich der Konzentration und Aufmerksamkeit) nicht mehr ganz gewachsen ist. In höherem Alter wird man im Übrigen kaum noch am „grünen Tisch“ der entsprechenden MPU-Institute, also an den „künstlichen Test-Apparaten“, seine ausreichende Reaktionsfähigkeit und Aufmerksamkeit nachweisen können, zumal man auch nervös sein wird. Wichtig wäre dann insoweit insbesondere für ältere Kraftfahrer auch die Möglichkeit einer „Fahrverhaltensprobe“ im laufenden Straßenverkehr, bei der oft von dem Betroffenen bewiesen werden kann, dass seine langjährige Erfahrung im Straßenverkehr seine rein funktionellen Mängel kompensieren kann.
Diesbezüglich gilt im Übrigen Nr. 45, Abs. 2 MiStra („Mitteilungen in Strafsachen“) sogar für die Straf-Gerichte, dass solche Tatsachen der Fahrerlaubnis-Behörde mitzuteilen sind, die in einem Strafverfahren bekannt werden, wenn dies für die „Beurteilung der Fahreignung“ von Bedeutung sein kann: Ob nämlich der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen von Fahrzeugen eventuell ungeeignet sein könnte. In solchen Fällen kann dann die Gefahr entstehen, dass die Fahrerlaubnis-Behörde dem Betroffenen – unabhängig vom Strafverfahren – im Verkehrs-Verwaltungsrecht die Fahrerlaubnis entzieht.